Beethovens letzte Klaviersonaten
Barbara Roeser-Liebech
Konzertflügel Steinway D-274
Klaviersonate Nr. 30 E-Dur op. 109
1. Vivace ma non troppo
2. Prestissimo
3. Andante molto cantabile ed espressivo
Klaviersonate Nr. 31 As-Dur op. 110
1. Moderato cantabile molto espressivo
2. Allegro molto
3. Adagio ma non troppo - Fuga (Allegro ma non troppo)
Klaviersonate Nr. 32 c-Moll op. 111
1. Maestoso - Allegro con brio ed appassionato
2. Arietta (Adagio molto semplice e cantabile)
Aufnahme: Max-Lukas Hundelshausen (Studio Maximedes)
Portraitfoto: Janine Guldener
TT 66:08 Min., Bestellnummer: pT-1331, EAN 4250523313316, primTON 2022
Diese besonderen Sonaten, losgelöst von jeglicher Form der damaligen Zeit, weisen in die Zukunft, wecken Sehnsüchte und lassen aufschrecken in ihren jähen Stimmungswechseln.
Ein großer Roman über alle Höhen und Tiefen des Lebens - Mächte von Fantasien, wütende Ausbrüche, zarte Fragen, dazwischen Farben, abrupt wechselnd, religiös choral anmutende Fugen, Skalen, traurige Gesänge und zum Schluss ein langer nicht endender Spaziergang in der Arietta - ohne Pause - in der Weite verlöschend.
Geschichten, in denen man den jeweiligen Leitfaden immer wieder finden muss.
Die Sonaten erinnern mich manchmal an Rhizome, an vielfach vernetzte Strukturen - ein Gespinst. Und doch sind sie im Kern verwandt und bilden einen uneinheitlichen Erzählstrom, der zur Homogenität zurückfindet.
Musikalisch erlebt man in diesen gewaltigen Werken Kleinodketten aneinandergereiht, von der Nischenphrase bis zum bäuerlichen Tanz, girlandenartige Kaskaden, cholerische Repetitionen, orchestrale Ausuferungen neben einsamer Verletzlichkeit.
Diese Musik duldet keine Ablenkung, weder für den Zuhörer noch für mich als Interpretin in Seele, Geist und Körper.
Sie bietet uns in unserer schnelllebigen Zeit einen Gegenpol: das Erlebnis von Tiefe - sie lädt ein, ins musikalische Geschehen abzutauchen.
Ich versuchte schon als Kind, besessen von den Tonaufnahmen aller 32 Beethoven Klaviersonaten in der Interpretation Friedrich Guldas, diese drei letzten Sonaten zu verstehen, was mir als Achtjährige nur unvollständig gelang.
Die Zusammenhänge begriff ich erst im fortgeschrittenen Alter und es wurde zu einem Traum, einer Vision, diese Werke zu lernen, zu spielen, zu gestalten, mit dem Klang zu verschmelzen.
So entstand meine Sichtweise auf diese Musik und die daraus sich entwickelnden Interpretationen in einem organischen Prozess während des Lockdowns zwischen den Jahren 2019 und 2021 - einer Periode, die alle Menschen ungewollt zum Rückzug zwang.
Zwei mir wichtige Weggefährten verstarben im Oktober 2020 und Oktober 2021, ein anderer wurde schwer krank.
Die intensive Beschäftigung mit diesen drei Sonaten half mir diese Erschütterungen auszuhalten und zu überwinden.
Diese Einspielung ist ein Tagebuch, nicht nur über meine persönlichen Erlebnisse, sondern auch über die Entwicklung des ausgesuchten Instruments.
Für alle drei Aufnahmetermine habe ich mir einen neuen Steinwayflügel D ausgesucht, ein Instrument, welches besonders gut zu dieser Musik passt. Bei der zuerst aufgenom menen Klaviersonate As-Dur op.110 ist der Klang des Instruments noch weich und zurückhaltend und trotzdem präsent.
Der typische kristalline Steinway-Ton blühte dann sechs Monate später bei der E-Dur Sonate op. 109 in ausgewogener Vordergründigkeit auf.
Die c-Moll Sonate op. 111 präsentiert den stählernen ernsten Ton eines ausgereiften Instruments.
Meine Sichtweise auf die Sonaten änderte sich innerhalb dieser zwei Jahre. Die vielen romantischen Phrasen mit Rubati, angelehnt an meine vorherige Beschäftigung mit Klavierwerken von Johannes Brahms, verschwanden zunehmend und wichen einer exakteren rhythmischen Interpretation. So wurde der Leitfaden, der die tausend Geschichten einer Sonate zusammenfügte, in einem langen Lernprozess freigelegt.
Alle Tonaufnahmen entstanden bei mir zu Hause in Bad Arolsen unter der technischen Leitung von Max-Lukas Hundelshausen, Tonmeister und Komponist.
Barabara Roeser-Liebech