


Vocals, Piano & Improvisation
Duke Ellington, Charles Ives, Leonard Bernstein, William Grant Still
Aufnahme: Hochmeisterkirche Berlin, Juni 2014
TT 55:56 Min., Bestellnummer pT-1161, EAN 4250523311619, VÖ primTON 2015
- Almighty God (Duke Ellington)
- Aspects of Infinity/ Reflection (Christian Hagitte)
- A simple Song (Leonard Bernstein)
- My Love (Duke Ellington)
- Come Sunday (Duke Ellington)
- Quiet Isle/ Reflection (Christian Hagitte)
- Evidence (Charles Ives)
- Serenity (Charles Ives)
- Shall we gather at the River? (Charles Ives)
- Shall we gather at the River? (Aaron Copland)
- Heaven (Duke Ellington)
- Ain't but the One (Duke Ellington)
- Homage to a Genius/ Reflection (Christian Hagitte)
- The Breath of a Rose (William Grant Still)
- Peace (Ernest Gold)
- Pain and Mankind/ Reflection (Christian Hagitte)
- Grief (William Grant Still)
- Taking Heart/ Reflection (Christian Hagitte)
- Lord, I can't turn back (Charles Lloyd, arr.)
- Listen to the Angels (Charles Lloyd, arr.)
- Ain't a dat good News (Chrles Lloyd, arr.)
Kathrin Freyburg (Vocals)
Christian Hagitte (Piano)
Die Songs unseres „Sacred Concert“ zeugen in Worten, Melodien, Klängen und Rhythmen von einer großen Freude über das Leben und von tiefer Dankbarkeit. In berührender Weise erzählen sie von einer Welt, die auf Schönheit beruht und sind dabei erfüllt vom kraftvollen Ausdruck echten Gefühls und vom leidenschaftlichen Erleben des Augenblicks.
Unsere Bekanntschaft mit den geistlichen Liedern aus den USA hat inzwischen schon eine längere Geschichte: Zunächst begann es damit, dass wir auf die „Sacred Songs“ von Duke Ellington trafen, die einen sehr starken Eindruck auf uns machten. Wir wollten diese Stücke so gut wie möglich kennenlernen und in unserer Besetzung für Gesang und Klavier aufführen. Diese Begegnung war sehr inspirierend für uns, und damit waren wir dann ziemlich neugierig geworden auf die amerikanische Musik und gingen auf die Suche nach weiteren geistlichen Liedern. Hierbei entdeckten wir wunderbare Stücke und nach und nach entstand dann die Konzeption eines eigenen „Sacred Concert“, das ganz verschiedene Komponisten und Stile einander gegenüber stellt, und das wir Ihnen hier vorstellen möchten.
Die drei „Sacred Concerts“, die der große amerikanische Jazzmusiker Duke Ellington in den letzten zehn Jahren seines Lebens überall in der Welt unzählige Male aufgeführt hat, waren für ihn am Ende seines Lebens bei weitem das Wichtigste. Sie zeugen von seinem tiefen religiösen Lebensgefühl und seinem weiten und freien Geist. Die „Sacred Concerts“ waren riesige Gottesdienste vor Tausenden von Menschen, in denen Ellington die verschiedensten Elemente miteinander verband – seine Band spielte Jazzmusik, improvisierte und begleitete Solisten und Chöre bei den von ihm selbst geschriebenen und textierten Songs; es gab gesprochene Passagen und Tanz: Die „Sacred Concerts“ boten Musik, die sowohl im Showbusiness verwurzelt ist als auch Musik, die von afroamerikanischen Traditionen geprägt ist, Musik, die in ihrer Tiefe, Farbe und Schönheit den sehr unverwechselbaren, persönlichen Stempel dieses unvergesslichen Musikers trägt.
Wenn wir die geschriebenen Fassungen von Duke Ellingtons Musik studieren, ist uns bewusst, dass diese nur einen gewissen Teil seines Werkes darstellen, denn Ellington war ein Improvisierer. Er erarbeitete seine Musik beim Proben gemeinsam mit seiner Band, indem er so lange mit den Klängen experimentierte, bis er etwas fand, das ihm gefiel. Auf der Bühne war er dann frei, aus der Inspiration des Augenblicks heraus das Geprobte auch wieder umzugestalten und direkt und sofort auf das zu reagieren, was sich soeben ergab. So entstand jedes Mal, wenn seine Musik aufgeführt wurde, auf natürliche Weise wieder etwas Neues.
Dieses Verständnis von dem Neuen, das beim Improvisieren jedes Mal entsteht, bewirkte, dass auch wir als europäische Musiker uns frei dazu fühlten, Ellingtons überragende Songs als unermessliches Geschenk anzunehmen, uns auf unsere Art für seine Musik zu öffnen und sie zu „erzählen“.
Der Umgang mit den anderen Liedern, die alle als durchkomponierte Stücke vorliegen, war für uns, die wir von der „E- Musik“ herkommen, selbstverständlicher. Auch hier entdeckten wir Faszinierendes und sehr Spezifisches: nämlich Musik von höchster Qualität, die die romantische europäische Tradition mit Elementen der amerikanischen U-Musik verquickt und an anderer Stelle auch das afrikanische Erbe einfließen lässt.
„A simple Song“ entstammt Leonard Bernsteins 1971 komponiertem Werk „Mass“, einem gigantischen Musiktheaterstück für 200 Interpreten: klassische Sänger, Rock- und Blues-Sänger, Tänzer, Schauspieler, Knabenchor, zwei Orchester und Blaskapelle. Der „Simple Song“ erklingt ziemlich am Anfang des Stücks, das zunächst mit einer großen Kakophonie und Unruhe beginnt. Dies wird dann von dem Lied des Priesters mit seinem schönen Ausdruck des uneingeschränkten Glaubens unterbrochen.
Von dem originellen amerikanischen Komponisten Charles Ives haben wir drei Lieder aufgenommen, die sich um das 1919 komponierte „Serenity“ ranken. Der Komponist empfahl, dass man dieses meditative Lied am besten wie einen einstimmigen gregorianischen Choral über die sich wiederholende glockenähnliche Begleitfigur singt.
William Grant Still überschrieb seine Partituren mit der Inschrift: „With humble thanks to God, the source of inspiration.” Sein bekanntestes symphonisches Werk, die „Afro-American Symphony“ (1930), war das erste symphonische Werk eines afroamerikanischen Komponisten, das je von einem der führenden Orchester in den USA aufgeführt wurde. Der Song „Breath of a Rose“, komponiert 1928, zeigt eine seiner Tonsprache eigene schillernd-schöne Farbigkeit, die er mit den Mitteln der Polytonalität erzeugt. Der ergreifend schöne Song „Grief“ entstand 1953.
In unserem Konzert haben wir diesen beiden tiefmelancholischen Liedern von William Grant Still das dramatische, sehr unruhige Lied „Peace“ von Ernest Gold gegenübergestellt. Ernest Gold (1921–1999) war ursprünglich österreichischer Herkunft und war bereits in jungen Jahren vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen. Mit „Peace“ hat er ein erschütterndes Gedicht der bedeutenden amerikanischen Dichterin Emily Dickinson vertont.
Hier, wie auch an anderen Stellen, stellt Christian Hagitte den amerikanischen Kompositionen seine eigenen Improvisationen auf dem Delay-Piano gegenüber – ausdrucksstark kommentierend, akzentuierend, neue Klänge suchend. Die vom Menschen geschaffenen Schrecken, die Leiden, Not und Angst stehen qualvoll neben der Vision eines friedvollen Seins.
Das Black Spiritual mit der Kraft seines tiefen Empfindens, seiner Hingabe und Sinnlichkeit steht am Ende unseres Programms. Seine Geschichte begann im 18. Jahrhundert, wo die afrikanisch-amerikanischen Sklaven auf den Feldern und in der Kirche Lieder sangen, in denen sie sich mit der Verfolgung und mit dem Leiden von Jesus Christus identifizieren.
Für den Schluss unseres „Sacred Concert“ haben wir drei schöne Traditionals ausgewählt, die von dem Komponisten Charles Lloyd zu „Spiritual Art Songs“ erweitert worden sind.
Kathrin Freyburg und Christian Hagitte, im April 2015